die vergessenen Astro-Geheimnisse
In letzter Zeit mehren sich die Zweifel, ob GPS, Galileo oder GLONASS – vielleicht auch Starlink – abgeschafft oder „nur“ abgeschaltet werden. Ich halte weder das eine, noch das andere für besonders wahrscheinlich, aber …
Man kann über Trump denken, was man will, und die meisten tun es selbstverständlich auch. Doch in einem sind wir uns wohl alle einig: Berechenbar ist er nicht. Und die Tatsache, dass ein einzelner Mensch über zigtausend Satelliten bestimmt, bereitet schon Unbehagen.
Zum Trost bleibt festzuhalten: Im Falle der Abschaltung von GPS und Konsorten gibt es ein Navigationsverfahren auf hoher See, und zwar das einzige, das uns bleibt: die Astronavigation. Das ist aber nicht die alleinige Rechtfertigung für diese älteste Kunst der Menschheit – eine Kunst, die die Entdeckung der Welt erst ermöglichte.
So, wie wir uns an großen Rahseglern erfreuen; so, wie wir täglich Knoten anwenden, die seit Hunderten von Jahren die Segelschifffahrt und damit die Besiedelung der ganzen Welt ermöglicht haben; so, wie wir trotz moderner Wettervorhersagen immer noch auf die bewährten Wetterweisheiten der Seeleute aus elektronikfernen Zeiten zurückgreifen – beispielsweise: „Kommt der Regen vor dem Wind, pack die Segel weg geschwind!“ – gibt es auch heute noch einen guten Grund für die Positionsbestimmung eines Schiffes mithilfe von Sonne, Mond und Sternen. Und das ist die Seefahrerromantik. Es verschafft eine unbeschreibliche Befriedigung, wenn man mit höchst einfachen Mitteln, einem Winkelmesser und einer Uhr, mitten auf dem Ozean ohne Landsicht seine Position herausfindet, die so genau ist, dass man damit auch rund um die Welt navigieren kann – ohne GPS und ähnliche Hilfen.
Astronavigation ist kinderleicht zu begreifen – wenn man sie begreifen will.
Grundschulausbildung reicht. Denn früher mussten auch Fischer, die 100 Kilometer von der Küste entfernt Thunfische fingen, so viel wissen, dass sie sicher wieder in die schützenden Häfen zurückfinden konnten.
Erster Merksatz:
Stellen Sie sich vor, der Navigator sagt Ihnen, dass wir 1,8 Seemeilen vom Leuchtturm entfernt sind. Was wissen wir daraus für einen Eintrag in die Seekarte? Nicht sehr viel, außer dass wir irgendwo vom Leuchtfeuer eben 1,8 Seemeilen entfernt sind. Nur gibt es bei dieser Entfernung keine Rückschlüsse auf den Standort. Denn es gibt eine unendliche Menge von Punkten, die alle genau 1,8 Seemeilen vom Leuchtturm entfernt liegen. Sie haben aber eines gemeinsam: Sie liegen auf einem Kreis um den Leuchtturm mit einem Radius von 1,8 Seemeilen. Erst wenn man einen weiteren Leuchtturm misst und den Kreis um den Leuchtturm einzeichnet, also eine zweite Standlinie hat, erhält man einen Schnittpunkt in der Seekarte – und damit einen exakten Schiffsort. Genau diese Überlegung übertragen wir auf die Astronavigation: Man kann also mithilfe der Uhr, eines genauen Winkelmessgerätes (z.B. eines Sextanten) und der damit vorgenommenen Messungen von Gestirnen den Standort eines Schiffes bestimmen. Ja, man benötigt nicht einmal eine Seekarte, man kann die Positionen auch mittels elektronischen Rechners ausrechnen. Zwei Messungen sind mindestens erforderlich, um einen exakten Standort zu erhalten. Und zwar je eine Messung zweier verschiedener Gestirne (Sonne, Mond, Sterne oder Planeten) zur etwa gleichen Zeit oder zwei Messungen desselben Gestirns im Abstand von 2 bis 3 Stunden.
Eine einzelne Messung ergibt in der Praxis niemals einen eindeutigen Schiffsort.
Hat der Mensch das so festgelegt? Nein, das ist Naturgesetz.
Merke: Ein genauer Schiffsort besteht immer aus mindestens einer Standlinie, die sich mit einer zweiten Standlinie kreuzt!
Der Vergleich mit einem Leuchtfeuer entspricht genau dem Prinzip der Astronavigation. Das erste Gestirn ergibt einen Standkreis, also einen Kreis (gelbe Linie) mit einer Entfernung zum Gestirn = Radius (blaue Linie), auf dem das Gestirn sekundengenau aufliegt. Erst wenn eine zweite Messung hinzukommt, gibt es einen Schnittpunkt und damit einen exakten Schiffsort!
Achtung, das ist nicht exakt! Denn eine zweite Standlinie ergibt nicht einen, sondern zwei Schnittpunkte, also zwei denkbare Schiffsorte, wie rechts das Bild zeigt, wenn man beide Schnittpunkte auf dem Bild sieht (kleiner roter Kreis). Das wird später noch eine Rolle spielen.
Noch einen Gedankenfehler habe ich vorhin gemacht: Ich habe behauptet, dass eine einzelne Messung keinen Schiffsort ergibt. Das ist in der Praxis richtig, weil folgender Fall so gut wie nie vorkommt:
Nämlich nur dann, wenn sich ein Gestirn exakt (!) über dem Beobachter befindet, also der Sextant folgerichtig 90 Grad anzeigt. Auf einer Weltumsegelung können Sie das höchstens im März auf den Galápagos-Inseln erleben – wenn Sie Glück haben.
Und auch das ist wichtig, um die Astronavigation leicht zu begreifen: Der Punkt auf der Erde, an dem Sie das Gestirn genau über sich haben, nennt sich Bildpunkt.
Das bedeutet, dass jedes Gestirn eine Position auf der Erde hat – nämlich genau diesen Bildpunkt.
Und genau dieser Bildpunkt ist der Schlüssel zur Navigation. Denn man braucht sich nicht daran zu stören, dass die Gestirne weit draußen in der Unendlichkeit stehen. Jedes Gestirn hat eine ganz genaue Position auf der Erde, die in Längen- und Breitengraden gemessen wird (wobei diese hier als Greenwich-Winkel und Deklination bezeichnet werden).
Haben wir damit alles zusammen für die Astronavigation? Bewegt sich der Bildpunkt nicht rund um die Erde (mit einer Geschwindigkeit von etwa 900 Knoten = 900 Seemeilen in 24 Stunden)?
Tatsache ist, dass es zum Einzeichnen einer Standlinie, also eines Kreises, zwei Dinge braucht – wie bei einem Kreis: den Mittelpunkt des Kreises und den Radius.
Seit ewigen Zeiten – also seit es die Astronavigation gibt – werden wir nicht viel Nutzen aus ihr ziehen, solange wir nur ein Gestirn messen, um eine Standlinie zu gewinnen. Meistens genügt das nicht, um anständig zu navigieren.
Was braucht man zu einer Standlinie, also einem Kreis, wie bei dem obigen Leuchtturm? Zwei Fakten, nämlich den Standort des Gestirns und den Radius.
Der „Standort“ des Gestirns ist seine Position auf der Erde, also sein Bildpunkt. Und wie jeder Ort auf der Erdoberfläche hat dieser einen Längengrad und einen Breitengrad. Nachdem dieser Bildpunkt mit Überschallgeschwindigkeit um die Erde saust, benötigt man hierfür den exakten Zeitpunkt der Messung des Gestirns , denn nur dann kann man den Mittelpunkt des Kreises (Gestirnsposition) einzeichnen, wenn man Länge und Breite genau zu diesem Zeitpunkt ermittelt. Aus den nautischen Tafeln (z.B. von Merkel) für das betreffende Jahr kann man dann sekundengenau (!) die Position des Bildpunktes, also die Position des Gestirns auf der Erde, herauslesen.
Und der Radius? Das ist ganz einfach: Denken Sie an den Sextanten, das Winkelmessinstrument! Wenn Sie genau auf dem Bildpunkt stehen, wird Ihr Sextant dies anzeigen, indem er einen Winkel vom Gestirn zum Horizont von 90 Grad angibt. Steht das Gestirn „fast“ über Ihnen, dann wird er 89° anzeigen, also einen Grad (= 60 Seemeilen) weniger. Bei 88 Grad sind es 120 Seemeilen weniger und so weiter. Den Radius können Sie also aus 90 Grad minus gemessener Winkel ermitteln.
Keine Angst, „händisch mit Papier und Bleistift" brauchen wir das alles nicht berechnen. Ich hoffe, Sie werden jetzt nicht auf diese Weise navigieren. Denn was in der Theorie so einfach ist, ist in der rauen Seefahrtpraxis doch recht umständlich. Sie bräuchten geeignete Seekarten, um die beiden Standlinien einzuzeichnen usw.
Tatsächlich aber hat man in der Vergangenheit mit vielen Modellen versucht, auf diese Weise zu navigieren. Ja, man hat kleine Globusse entwickelt, auf denen man die Daten – Mittelpunkt des Kreises und Radius – einstellen konnte, um den Schnittpunkt der Kreise herauszumessen. Und war dann doch kaum in der Lage, nach der zweiten Standlinie auf dem Modell-Globus eine auch nur annähernd genaue Position herauszulesen.
Fazit:
Nichts anderes, als der Schnittpunkt zweier Kreise, ist das Jahrtausende alte Prinzip der astronomischen Navigation!
Gleichgültig ob man den Schnittpunkt der beiden Standlinienkreise rechnerisch oder zeichnerisch löst, ob man dazu die alten Logarithmen-Tafeln benutzt oder die Elektronen zu Hilfe nimmt, oder ob man mit den amerikanischen Tafeln Pub No 249 arbeitet (mit denen Seekabel verlegt wurden und Bombenangriffe durchgeführt wurden), oder ob man mit der Methode von Saint Hilaire oder ausschließlich mit einem dieser Systeme navigiert, es handelt sich immer um den gleichen - einfachen - Gedankenweg.
Manche, die sich mit solchen Gedankengängen befassen, tun sich schwer damit, einzusehen, warum dieses Prinzip das allein selig machende sein sollte.
Und so wimmelt die Geschichte der Astronavigation von "Erfindungen" oder Programmen (heute Apps), die dann gleich mal "revolutionär" genannt werden. Nun ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand mit Gedanken rumexperimentiert. Wenn allerdings die Jahrhunderte von Jahren bewährten Regeln als dumm, überflüssig oder ihre Verfechter als unbelehrbar hingestellt werden, bekommen solche "Werke" einen unangenehmen Beigeschmack.
Von einem extremen Beispiel aus der neueren Zeit ist bei der Fortsetzung dieses Artikels die Rede.
Hier geht es zur Fortsetzung, die aufzeigt, was für grandiose Verwirrung geschaffen (oder gewollt) wird, wenn Laien die astronomische Navigation "verbessern"!
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