In den Wind gesprochen (59):

Waffen an Bord 2020?

Mein Gott, da wollen die Leute um die Welt segeln, also was richtig Großes unternehmen, und dann verlieren sie sich in Kleinigkeiten!

Suchen jahrelang nach der "richtigen" Ausrüstung (meistens elektronischer Art, die dann schon bei der späteren Abreise out of date ist), überlegen sich welche Kurse sie noch absolvieren müssen, ein Führerschein fürs Segelboot soll es auch noch sein, der sich dann meistens als überflüssig rausstellt, versuchen ihren Betrieb zu verkaufen und so fort. Dabei braucht es doch nur drei Voraussetzungen, um den großen Törn zu starten:

  • Die Crew muss passen und mitziehen

  • das Schiff muss sicher sein

  • die Finanzen müssen stimmen.

Aber viele wollen es ganz penibel und gründlich machen. Und so vergehen Jahre der Vorbereitung und manchmal wird man dann von den medizinischen und nervlichen Gegebenheiten überholt, beziehungsweise gegroundet. So ist es einigen meiner Freunde ergangen, die alles perfekt machen wollten, auch den Start zu einem Törn um den Globus. Satt dass sie sich einfach auf die vorhandene Yacht gesetzt hätten und – mit der gebotenen Vorsicht versteht sich - losgesegelt wären. Denn, das sei allen Zauderern ins Logbuch geschrieben, in den ersten zwei Wochen an Bord lernt man mehr über seine Situation während einer Weltumsegelung, als beim Besuch eines zwei Jahre lang dauernden Kurses, beim Rumhecheln auf Bootsausstellungen oder beim Büffeln am Computer und Lösen von Prüfungsaufgaben (deren Inhalt fast ausnahmslos für eine Weltumsegel-Praxis absolut überflüssig ist) .

Ich, und da bin ich mit den meisten Weltumseglerfreunden einig, kann nur den dringenden Rat geben, einfach mal loszufahren statt so eine große Unternehmung jahrelang vor sich herzuschieben. Voraussetzung ist der Wille des Vorwärtsschauens, seine Vorbereitungen akribisch darauf zu überprüfen, was entbehrlich ist.

Einen Punkt möchte ich herausgreifen, weil mich hierzu immer wieder Anfragen erreichen: Das ist die Frage nach den Waffen an Bord. Welche Waffe, welcher Schein, woher die Waffe(n) nehmen? Wie komme ich zu einer behördlichen Genehmigung? Und so weiter. Es gab sogar Besucher dieser Webseite, welche monatelang mit der Verwaltungsbehörde gerungen, auch prozessiert haben, um eine Waffenbesitzkarte zu bekommen und damit schließlich legal eine Waffe erwerben zu können.

Das Thema könnte leicht in Minuten erledigt sein, wenn man meinem Rat folgen würde, der auf den jahrzehntelangen Erfahrungen beruht, die ich gerade zu diesem Thema sammeln konnte - und zwar in der Praxis! 

Leider wird die Diskussion zum Thema "Waffen an Bord" mit absonderlichen Argumenten geführt, sodass der ehrfürchtige Zuhörer völlig verunsichert wird. Ein paar Stichworte hierzu: "Wenn man eine Waffe an Bord hat, muss man sie auch ohne Zögern einsetzen" (was für ein Bullshit!) oder "Waffen an Bord sind gefährlich" oder "ich muss doch meine Familie beschützen" oder "meine Waffe findet man sicher nicht"

Leider, das ist das Merkwürdige bei diesem Thema, wohlgemerkt unter erwachsenen Menschen, bringt es kaum jemand fertig, diese Problematik ohne Vorurteile zu sehen und dementsprechend die Konsequenzen zu ziehen. Es scheint hier bei manchen Mitmenschen (sorry, fast immer sind es die Männer) der Verstand auszusetzen, wenn es um das Thema Waffen geht (siehe der Steinzeitmann als Jäger).

Ein Freund von mir, einer von der ganz harmlosen Sorte Mensch, der mich nie auf das Thema Waffen angesprochen hatte, bevor er mit seinen Kindern zur Weltumsegelung startete, musste bei einer Schiffsrazzia mit hochrotem Kopf erleben, dass die Polizisten in Westindien ihn nach der Herkunft seiner schlecht versteckten dreier Gewehre nebst Munition befragten. Die Konsequenzen kann sich jeder ausmalen.

Ein anderer wollte von seiner Yacht aus nach Hause fliegen und nahm seine Pistole, zerlegt in seine Einzelteile, in der Tasche mit. Dreimal musste er dann von zu Hause zur Gerichtsverhandlung in der Türkei anreisen, um schließlich das harte Urteil entgegenzunehmen. Gleiches widerfuhr einem Deutschen, der ausgerechnet von Trinidad nach Hause fliegen wollte, ebenfalls mit einer Kanone in der Tasche. Urteil: Sechs Jahre Gefängnis. Ein amerikanischer Yachty, ehemaliger Offizier, hatte in Indonesien auf seiner Yacht ein Gewehr, schön amtlich gemeldet mit den "notwendigen Papieren". Als er dieses ordnungsgemäß dem Hafenkapitän gegenüber deklarierte, beschlagnahmte diser die (teure) Waffe, mit der lapidaren Begründung, hier seien Waffen auf Yachten generell verboten und somit zu beschlagnahmen. Erst, als der Yachtsmann den amerikanischen Botschafter einschaltete, konnte er dreihundert Kilometer weiter, nämlich in der Hauptstadt sein Gewehr abholen.

Ja, ich weiß, mein berühmter Freund Wolfgang Hausner hat hierzu ganz andere Ansichten (siehe sein Buch "eines Mannes Freiheit" und Wolfgang Hausner und die Waffen!), die ebenfalls auf sehr praktische Erfahrungen beruhen und er weiß sie zu begründen. In einem seiner regelmäßigen Berichte  im österreichischen Segelmagazin OCEAN7 schreibt er:

"...meine Gäste sprachen mich auf diese Thema (Seeräuber, Verbrecher etc - die Red.) an, als ich mein M-16-Sturmgewehr aus dem Versteck in meine Kabine brachte."

Ich bin sicher, dass seine urlaubenden Gäste sich damit beruhigten, dass nicht jedermann eben ein Wolfgang Hausner ist. Sie (und ich) schon gar nicht!

Jetzt aber meine eigenen jahrzehntelangen Erfahrungen mit Waffen an Bord: In den siebziger Jahren führten wir einen 38er-Revolver an Bord der THALASSA mit, den wir überall deklarierten, wenn wir danach schriftlich oder mündlich gefragt wurden. Besonders hat sich dafür niemand interessiert, weder im Mittelmeer, noch in Übersee. Lediglich in Panama (Colon) einem Verbrechernest, nahm die Polizei ohne große Formalitäten die Waffe unter Verschluss. Eine Ausnahme!

Eine Situation, wo ich in Versuchung geraten wäre, vorsichtshalber den Revolver bereit zu legen, gab es während der ganzen jahrelangen Weltumsegelung nicht. Es war aber auch die Zeit, als es fast überall auf der Welt, jedenfalls dort, wo Yachten vorbeigekommen sind, friedlich zugegangen ist. Überfälle auf Yachten gab es praktisch nicht ausser in Kolumbien, wo es Einbrecher auf Wertgegenstände, die sie auf den Besucheryachten vermuteten abgesehen hatten. Einmal wurde auf einer Yacht die (mit einem Gewehr bewaffnete) Frau des Skippers von Piraten erschossen, wie der norwegische Skipper berichtete. Ein Einzelfall!

In den achtziger Jahren waren wir schon schwerer bewaffnet und die Behörden nahmen es etwas genauer. In Polynesien lagen deshalb jahrelang unsere Waffen offiziell unter Verschluss, einem Verlies mit den Waffen der Yachties, mit denen man sicher erfolgreich jeden Bürgerkrieg hätte führen können. Raub-Überfälle auf Yachten wurden wenige verzeichnet, jedenfalls nicht mehr als man in "unseren" Gewässern oder Gegenden (Großstädten) gewohnt war.

In den Neunziger Jahren rückte das Thema Überfälle auf Yachten für manche Gegenden schon näher. Besonders Yachties in Venezuela und in den Gewässern im und vor dem Roten Meer wurden zum Teil tödliche Opfer von hochgerüsteten Piraten. Das waren aber Überfälle, bei denen man mit "unseren" Waffen ohnehin auf verlorenem Posten gewesen wäre.

Mit einer einzigen Ausnahme, einem Gewehr in den Händen eines als Soldat geschulten Amerikaners, ist mir nicht ein einziger Fall bekannt, wo der Einsatz einer eigenen (Schuss-)Waffe einen Überfall verhindert hätte.

Wie nützlich eine Waffe in meinem Fall gewesen ist, zeigt die Geschichte meines schweren Smith&Wesson-Revolvers, den ich auf professionelle Empfehlung und nach Schulung im Landeskriminalamt in Deutschland gekauft hatte. Meine Yacht lag damals in Australien, sodass ich - legal versteht sich - den Schießprügel dorthin im Flieger transportieren mußte. Es war ja noch lustig wie der im Koffer verstaute Revolver der Dame vom Sicherheitsdienst am Flughafen vom Monitor entgegenstrahlte: "Hallo, kommt mal alle hierher, was für ein schönes Bild!"

Die vorgelegten Papiere besänftigten die herbeigerufenen Polizeibeamten, lediglich der Kapitän des Jumbos nach Dubai wollte wissen, warum ich das Ding ausgerechnet in seinem Flieger transportieren wollte. Bei der Ankunft in Brisbane/Australien kam mir gleich ein uniformierter Beamter entgegen, der mir, wie alle seine Kollegen ein Fernschreiben unter die Nase hielt, in dem mein Mordwerkzeug angemeldet worden war. Ziemlich genau 20 Meter durfte ich das Köfferlein dann ins Büro tragen. Das nächste Mal sah ich die Waffe dann ein halbes Jahr später wieder, als beim Auslaufen nach Neukaledonien eine mächtige Polizistin mir sie an Bord reichte, allerdings erst nachdem auf ihren ruppigen Befehl hin alle Festmacherleinen gelöst waren.

Und so gings weiter: Neukaledonien im Polizei-Verschluss, in Papua New Guinea ebenfalls. Schließlich durfte ich (und der Revolver) in Malaysien (dort Todesstrafe für illegalen Waffenbesitz!) 60 Kilometer im Polizei-Auto zur Hauptwache fahren, um die Waffe dort abzuliefern. Endgültig? Nein, nur für ca 10 Jahre, als ich längst wieder in Deutschland war und nach Einschaltung des malaysischen Botschafters in Berlin, ein Freund mir das Päckchen nach Deutschland brachte. Wenn ich mal den Nutzen dieser Waffen nachrechne, dann stand sie mir in 10 Jahren ziemlich genau ein halbes Jahr, also läppische 5% und nur auf hoher See, zur Verfügung. Nutzen dieser Waffe also: Gegen Null?

Wohl ja. Ein Vorteil der behördlichen Verwahrung war hingegen, dass ich 10 Jahre lang im Notfall gar nicht in Versuchung gekommen wäre, auch nur mit dem Gedanken zu spielen, die Waffe einzusetzen.

Ich leugne nicht, dass ich in früheren Publikationen den Besitz einer Waffe für manche Fälle durchaus empfohlen habe. Aber das waren ganz andere Zeiten, ganz andere (viel weniger sensible) Behörden und wohl auch ganz andere, nicht derart gewissenlose Banditen. Heute wären für mich Waffen an Bord ein absolutes No Go! Nur Vorteile: Kein Geplänkel mit den Behörden. keine Scheine, keine Aufbewahrungsprobleme (Tresor ratsam, Rost), etc.

Viel mehr sollte man sein Augenmerk darauf richten, nur(!) in empfohlenen Gegenden rumzusegeln und Gebiete, in denen es zu Überfällen auf Yachten gekommen ist, strikt zu meiden. Dann erst ist ein Vergleich mit unseren heimatlichen Gegenden, wo Verbrechen auch nicht ganz auszuschließen sind, zulässig.

Auch eine Signalpistole (Kaliber 4), damit auch den waffenrechtlichen Fachkundenachweis und eine Waffenbesitzkarte kann man sich ersparen. Die Schwierigkeiten sind in der Praxis, also in den Augen der Immigration-Officers, die gleichen wie bei einer "richtigen" Schusswaffe. So eine Signalpistole oder auch Raketen waren mal wirkungsvoll in den Titanic-Zeiten, heute kann man sie viel effektiver durch diverse Funksignale (oder auch leistungststarke (LED-Scheinwerfer) ersetzen.

Somit ist die Vorbereitung einer Weltumsegelung bezüglich Waffen an Bord schon nach 5 Minuten erledigt!

In den Wind gesprochen? Hoffentlich nicht!

Bobby Schenk

P.S. Übrigens: Wer immer noch mit dem Gedanken spielt, Waffen heimlich an Bord mitzuschleppen, lese die beiden Beiträge

wie Monique der Waffenbesitz auf ihrer Weltumsegelung gründlich vergangen ist

und

wie Langfahrtsegler Knut wegen seiner Waffen an Bord - kein Scherz - auf den Malediven zu 11 Jahren Knast verurteilt wurde.

   zur Home-Page

Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is www.bobbyschenk.de/n004/inwind59.html"
Impressum und Datenschutzerklärung