Wie sicher ist Blauwassersegeln?

Nicht so sicher wie ein Leben als Behördenangestellter in der Kleinstadt. Obwohl, auch für ihn gibt es die absolute Sicherheit nicht. Denn wir alle wissen: "Es kann einem auch dort ein Ziegelstein auf den Kopf fallen!" Das ist keineswegs ein dummer Spruch, sondern bringt die Frage nach einem sicheren Leben auf den Punkt. Unbewusst leben wir immer unter Abwägung von Wahrscheinlichkeit und Heftigkeit der Gefahr.

Das gilt fürs Leben an Land und erst recht auf einer Yacht, speziell beim Blauwassersegeln über die Ozeane.

Die Wahrscheinlichkeit lässt sich nicht mit einer Zahl belegen, sodass der Skipper etwa sagen könnte: "Das zukünftige (!) Risiko bei der Biskaya-Überquerung ist nur zwei Prozent, deshalb werde ich es wagen." Er wird lediglich auf Werte aus der Vergangenheit zurückgreifen können, etwa, wenn er sich in dem empfehlenswerten Werk "Pilot Charts" umsieht. Dort sind zahllose frühere Beobachtungen auf allen Weltmeeren, also auch für eine Biskaya-Überquerung niedergelegt, und zwar genau für die jeweilige Jahreszeit. Aber eben nicht exakt für ein bevorstehendes Datum.

Jeder Skipper wird sich auf diese Weise schlau machen, die Erfahrungswerte halt als eine ganz, ganz grobe Richtschnur für die Entscheidung betrachten, ob er es zum bevorstehenden Jahres-Zeitpunkt riskiert oder nicht. Die Abwägung, heute könnte man vielleicht von einer Risk-Life-Balance sprechen, ist eine ganz individuelle Entscheidung, die in erster Linie vom Charakter des Skippers abhängt. Glücksspieler tun sich da leichter.

Damit sind wir aber gleich bei der anderen Seite der Risikogleichung, nämlich beim persönlichen "Wagemut" - so möchte ich es mal nennen, auch wenn es hierzu eine ganze Reihe von Bezeichnungen gibt, zum Beispiel "Tapferkeit", das ist in unserem Sprachgebrauch etwas Ehrenvolles, "Feigheit" ist dagegen negativ besetzt, "Vorsicht" klingt sehr positiv, obwohl es im Ergebnis wahrscheinlich aufs Gleiche hinausläuft wie "Feigheit". Wer sich zu der letzteren Kategorie von Skippern, so wie ich, zählt, wird seine Segelei und Törn-Planungstaktik als "defensiv" bezeichnen, was seemannschaftlich doch um einiges besser als "Feigheit" klingt.

Kurzum, die Risikobereitschaft lässt sich niemals mit Zahlen belegen und wird sich wahrscheinlich nicht im mentalen Bereich abspielen, man wird sich vielmehr letztlich von seinen Gefühlen leiten lassen.

Wenn über die Gefahren, das Risiko beim Blauwassersegeln gesprochen wird, dann müssen wir uns auch darüber unterhalten, wie weit der Seemann ein Gefahrenrisiko begrenzen kann. Nicht etwa dadurch, dass er das Risiko schlicht ausblendet, sondern es durch aktives Tun reduziert.

Betrachten wir mal ein paar Gefahren, die auf den Hochseesegler speziell bei kleiner Crew und auf heute vergleichsweise großer Yacht lauern:

Schiffsuntergang

Die größte Risiko beim Blauwassersegeln für die Gesundheit der Crew - und nur die interessiert hier, denn Sachschäden wird eine vorsichtshalber abgeschlossene Versicherung für Sachschäden schon decken-, ist nicht etwa ein Schiffsuntergang. Die wenigen Fälle, in denen eine Yacht, meist wegen Schlechtwetter verlassen werden muss(!), zeichnen sich dadurch aus, dass das Schiff meist erst ein paar Wochen oder Monate später auf dem Weltmeer treibend von einem Frachter oder Fischer entdeckt wird.

Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass man mangels hohen Risikos eines Schiffsuntergangs auf die Rettungsinsel mit den bekannten Wartungs-Problemen und -Kosten verzichten könnte.

Doch was ist mit Feuergefahr, bei der häufig in zahlreichen Fällen nur wenige Sekunden Zeit waren, das Schiff zu verlassen.

Zur Feuergefahr befolge man einen Spruch, den man uns schon als Kind eingetrichtert hat: "...Licht ist für kleine Kinder nicht!"

Damit kann man das Risiko weitgehend mindern, aber nicht völlig ausschalten, man denke an die Fälle eines Brandes im Maschinenraum.

Ersaufen

Über der ganzen Hochseesegelei schwebt wie ein Alptraum der Ruf "Mann über Bord!".

Für sorglose Segler ist das die größte Gefahr und die tödlichste und die häufigste. Beim ersten Whitbread-Rennen um die Welt vor vielen Jahren sind auf der ersten Etappe drei Teilnehmer nicht mehr aufgetaucht. Obwohl eine große Zahl von professionellen Besatzungsmitgliedern für die Bergung zur Verfügung stand. Mit einem der berühmtesten (und erfolgreichsten) Hochseesegler, dem französischer Nationalhelden, nämlich Eric Tabarly (auf dem Foto zweiter von links) bin ich einst in Tahiti zusammen gewesen. Schmachvoll sein Ende in der Biskaya bei einem Vergnügungstörn. Wochen später erst hat man seine Leiche gefunden. Auch auf deutscher Seite kenne ich manches namhaftes und eigentlich sehr erfahrenes Opfer, siehe Karl Vettermann, den Schöpfer des unvergesslichen Romanhelden "Barawitzka".

Dabei kann die Wahrscheinlichkeit dieser Katastrophe "Mann über Bord" am leichtesten fast bis auf "Null Wahrscheinlichkeit" reduziert werden, nämlich durch das Tragen einer Schwimmweste (korrekt "Rettungsweste"). Aber stimmt dieser Satz wirklich, den wir in Unfallberichten der Rettungsorganisation für Schiffbrüchige (DGzRS) sinngemäß immer wieder finden?

Nein, das ist Unsinn, mehr noch, ein tödlicher Irrtum. Die Unglücksmenschen sterben definitiv nicht, weil sie keine Rettungsweste getragen haben, sondern weil sie über Bord gegangen sind.



Was sich zu 100 Prozent vermeiden lässt, wenn man mit einer Sicherheitsleine (Lifebelt) an das Schiff gebunden ist. Gewiss, Vergleiche hinken, aber man stelle sich einen Bergsteiger vor, der statt eines Sicherungs-Seils einen Fallschirm beim Bezwingen eines Berges dabei hat.

Warum so kritisch zur Rettungsweste? Weil diese Sprüche mit der "Schwimmweste" vom eigentlichen Problem, nämlich dem (bei der Blauwassersegelei mit minimaler Mannschaft) unabdingbaren Erfordernis, sich an die Yacht zu fixieren, ablenkt. Wenn früher Mitsegler auf meine Yacht zum Ozeantörn gekommen sind, kam unmittelbar nach Betreten des Schiffes die Frage nach der "Schwimmweste". Fast nie wurde nach dem Life-Belt gesucht. Freilich, unerfahrene Segler haben meist ein gutes Gefühl, wenn sie vorschriftsmäßig eine Rettungsweste für mäßiges Geld kaufen und an Bord und so (wo steht eigentlich diese Vorschrift?) vermeintlich für die Sicherheit der Crew sorgen. Das beruhigt.

Damit kein Missverständnis entsteht: Selbstverständlich bejahe ich das Erfordernis einer Rettungsweste, zum Beispiel beim Fahren mit dem Beiboot auf einem rauen Ankerplatz, oder, wenn man kontrolliert das Schiff aufgeben muss, um von einem Frachter oder von einem Hubschrauber aus der Rettungsinsel geholt zu werden. In allererster Linie aber ist ein Rettungsgurt ein Muss. Heutige Rettungswesten haben fast immer einen integrierten Rettungsgurt, der allerdings ziemlich überflüssig ist, wenn keine Lifeline eingepickt ist.

Crashs auf ein Riff oder Strandung.



Mit diesen Fällen geht oft der Schiffsverlust einher. Von den seltenen Fällen, wo eine Yacht auf Legerwall wegen schlechtem Wetter, also aus natürlichen Gründen, strandet, mal abgesehen, sind derartige Katastrophen mit Sicherheit vermeidbar, vor allem heute, wo mit den Satellitensystemen (GPS und Konsorten) die (einst kritische) Navigation zu einem Kinderspiel geworden ist. Man sollte meinen, dass mit Hilfe dieser präzisen Schiffsorte keine Yachten mehr aufs Riff geworfen werden. Was leider falsch ist.

Eines der bekanntesten Beispiele ist wohl der Crash der mit professionellen Seglern besetzten, höchst modern ausgerüsteten Rennyacht VESTAS. Ich bin heftig, ja bösartig (in sozialen Medien, wo sonst?) angegriffen worden, weil ich es in meiner "Hasspredigt" als "dummen Fehler" bezeichnet habe, wenn einhochmoderner Hochsee-Racer auf eine große (Cargados-Carajos-)Insel nachts, aber bei guter Sicht, mit Full-Speed aufrumpelt. Was übrigens später auch von der Regattaleitung nach gründlicher Untersuchung mit noch deutlicheren Worten bestätigt wurde. Dieser Unfall, der die gesamte recht große Mannschaft in Lebensgefahr gebracht hat, wäre zu 100% vermeidbar gewesen, wenn der Navigator eine solch riesige Insel in der Seekarte nur mal angeschaut hätte. Nebenbei wurde mir in diesem Zusammenhang von vermeintlich kompetenter Stelle vorgeworfen, ich hätte mit Regattasegeln nichts am Hut. Das Gegenteil ist der Fall: Ich war bei neun großen 1000-Meilen-Race Oberschiedsrichter, wo bis zu 70 Yachten mit Amateurskippern zwei Wochen lang das Mittelmeer auch unter Sturmbedingungen erfolgreich absegelten. Auch eine Zeitungsmeldung beweist wohl meine Sympathien fürs Regattasegeln.

Kollision mit anderen Schiffen oder treibenden Gegenständen.

Eines vorweg: Der vor allem von Laien (und in Spielfilmen) oft erwähnte verlorene Container existiert in der Blauwasser-Praxis kaum. Natürlich kommt bei der riesigen Container-Flotte auf den Weltmeeren es schon mal vor, dass Container über Bord gehen, vor allem bei Sturm. Das passiert jedoch naturgemäß auf den Schiffahrtslinien, auf denen sich Yachten selten herumtreiben, schließlich wollen wir ja möglichst wenig Kontakt mit der Großschifffahrt haben. Zudem werden dann sofort Warnungen für das betroffene Gebiet ausgesendet. Yachten snd also von diesem Problem kaum betroffen, was die Schiffsversicherungen jederzeit bestätigen. Wer es nicht glaubt, der erkundige sich bei der Versicherung, wie viele Fälle sie zu regulieren hatte. Tatsächlich habe ich noch nie von einem Yachtie Fotos von dieses schwimmenden gezeigt bekommen. Freilich, bei manchen Schiffsuntergängen spielt "ein Container" schon eine Rolle, vom Schicksal bevorzugte Opfer scheinen da Einhandsegler zu sein. Karla und ich haben unser Leben lang jedenfalls so ein Hindernis nie gesehen.

Wenn auf einer Yacht rund um die Uhr aufmerksam Wache gegangen wird, wie es die internationalen Kollisionsverhütungsregeln (KVR) ausnahmslos verlangen, sind Zusammenstöße mit anderen Schiffen praktisch ausgeschlossen. Woran aber liegt es, dass keine geringe Anzahl von Yachten spurlos verschwunden ist, wobei dann immer wieder die Möglichkeit ins Auge gefasst werden muss, dass das Schiff mit Mann und Maus von einem "Biggy" versenkt wurde. In Australien ist mal ein großes Frachtschiff in den Hafen eingelaufen. Am Bug vorne hingen viele Drahtseile und ein Mast, unverkennbar von einer Segelyacht, die ganz offensichtlich versenkt worden war.

Die naheliegende Antwort kann sich der Leser selber geben. Die Crew hat gepennt! Was menschlich häufig nachzuvollziehen ist, denn die Schiffsführung beim Blauwassersegeln lastet fast immer auf den Schultern von einem oder zwei Mannschaftsmitgliedern. Wenn Sie schon mal die "Hundewache" - bei uns an Bord ab vier Uhr morgens - durchlitten haben, werden Sie gelegentlich in den Schlaf gesunken und dann erschreckt nach längerer Zeit aufgewacht sein. Es ist auch kein großes Geheimnis (und ich will uns selbst da nicht ausnehmen), dass sich die kleine Mannschaft in den von der Großschifffahrt abgelegenen Gegenden schon mal die eine oder andere Nacht zum Durchschlafen gönnt. Aber mit dem Gesetz lässt sich das nicht vereinbaren! Ein Fall aus jüngster Zeit hat Aufsehen erregt, aber nicht, weil ein Skipper auf seiner Rennyacht in einen arbeitenden Fischer geknallt ist und dabei auch Menschen gefährdet hat, sondern weil die Yacht in der viel befahrenen Biskaya auf Kurs zu einem Podiumsplatz bei dieser Rund-um-die -Welt lag. Zumindest hat der Yachtskipper eingeräumt, dass er tief geschlafen hat. Es ist schon bedenklich, wenn Renn-Fans den Eindruck erwecken wollen, dass bei Regatten die Kollisions-Verhütungs-Gesetze nicht gelten. Die YACHT verstieg sich sogar zu der Aussage, dass bei diesen rasanten heutigen Rennyachten und den hohen erreichbaren Geschwindigkeiten von weit über 20 Knoten so viel Gischt am Bug aufsteigt, dass der Rudergänger ohnehin keine Sicht nach vorne hat, er also auch keinen Ausblick in Fahrtrichtung haben kann. Als ehemaliger Richter kenne ich die häufige Argumentation von Straftätern, die Ihr Fehlverhalten damit erklären wollen, dass es anders ja gar nicht gegangen sei, dass also ein anderes als das jeweilige regelwidrige Verhalten nicht zu vermeiden war.

Verbrechen - Überfälle durch Piraten oder sonstige Verbrechen - unvermeidbar?

Kriminalität gibt es überall auf der Welt. Trotzdem behaupte ich mal, dass es wahrscheinlicher ist, hier in der Bundesrepublik auf der Straße niedergestochen zu werden als in Tahiti. Eine vor Verbrechen sichere Gegend gibt es nirgendwo auf der Welt. Also muss das Risikovor einem Besuch der jeweiligen Gegend abgewogen werden. Hierbei helfen aktuelle Erfahrungsberichte von anderen Seglern im Internet. Vorzuziehen sind Auskünfte von Yachtsleuten, die in der betreffenden Gegend nicht nur mal durchgesegelt sind, sondern sich dort lange aufgehalten haben. Wenn ich beispielsweise durch die Philippinen segeln will, würde ich mich an den dort seit Jahrzehnten lang ansässigen Segler Wolfgang Hausner wenden. Die Situation wechselt nämlich im Laufe der Jahre. Früher war mal Kolumbien der Hotspot für (Mord-) Anschläge auf Yachties, dann die Strecke auf dem und zum Roten Meer, dann Venezuela, Karibik sowieso. Um das Risiko eines Überfalls oder Einbruchs zu minimieren, gilt es, keine Gebiete aufzusuchen, wo vor nicht allzu langer Zeit Yachten überfallen oder gar Blauwassersegler getötet worden sind.

Es ist eine Reihe von Verbrechen bekannt geworden, wo Yachtsleute zuvor gewarnt wurden, solche Gewässer zu besegeln. Ein erschütternder Fall ereignete sich erst vor ein paar Jahren, der mit der Enthauptung eines deutschen Seglers durch Rebellen-Verbrecher geendet hat. Was dieses Schicksal gänzlich unverständlich macht, ist die Tatsache, dass dieses Opfer kurz zuvor seine Yacht in genau derselben Gegend an dieselben Verbrecher verloren hatte.

Stürme, Hurricanes, Tsunmai, Erdbeben

Was für die Risiko-Minimierung bei Verbrechen gilt, ist auch beim Risiko mit Naturkatastrophen zu beachten. Schlimmes Wetter gibt es überall auf der Welt, doch die statistische Häufigkeit ist je nach Gegend und Jahreszeit verschieden. Sogar Erd- oder Seebeben lassen sich auf Grund von hunderte Jahre zurückliegenden Aufzeichnungen taxieren. Indonesien, ein riesiges, wunderbares Fahrtensegel-Revier, ist wegen seiner zahlreichen Vulkane so nennenswert riskant, dass sich einige erfahrene Segler dadurch abhalten lassen, dieses Revier zu besegeln.

Tsunamis spielen trotz der großen Katastrophe am zweiten Weihnachtsfeiertag des 26.12.2004 mit weit über zweihunderttausend Toten auf See keine große Rolle. Wir haben nicht unweit vom Katastrophengebiet, nämlich in Singapur von diesem fürchterlichen Unglück gar nichts bemerkt, ebenso wie einige (deutsche) Yachten, die vor Anker in Phuket lagen, also fast im Herzen der Katastrophe. Ja, die Weltumsegler auf der MENEVADO wurden erst nachdenklich, als sie wegen Erledigungen an Land mit dem Beiboot am Strand ankamen und dort die üblichen Badeutensilien - Liegestühle, Decken, Sonnenschirme - weit verstreut am Strand rumliegen sahen. Trost für den Segler: Ein Tsunami ist im tiefen Wasser für den Menschen kaum wahrnehmbar, er entwickelt seine mörderische Wucht erst, wenn er auf seichtes Wasser beziehungsweise Land trifft.

Lokale Stürme können überall auftreten, man wird dieses Risiko als "gottgegeben" hinnehmen. Allerdings gibt es Vorbereitungen für Yacht und Crew, um schlechtes Wetter schadensfrei zu überstehen. Ein besonderes Kapitel für die Blauwassersegelei sind tropische Orkane, also Hurricanes. Hierzu sollte man wissen, dass jeder Hurricane, dessen Laufbahn über die Yacht führt, tödlich sein kann, gleichgültig, ob man sich auf hoher See oder in einem sogenannten Hurricane-Hole befindet. Auch heute noch wird üblicherweise eine Weltumsegelung zeitlich und örtlich so geplant, eine seemannschaftliche Pflicht, dass man die gefährlichen Gegenden in der Hurricanezeit meidet. Auf der Südhalbkugel ist dies meist die europäische Winterzeit.

Dank der Meeresströmung El Niño hat in den letzten Jahren die Hurricane-Häufigkeit signifikant zugenommen. Das generelle Risiko für den Blauwassersegler in einen Hurricane zu kommen, ist somit gestiegen. Ein Segelfreund und Weltumsegler hat die ihm anvertraute Yacht unlängst in einem Hurricane in Griechenland(!) verloren, wo ich früher das Risiko einer solchen Katastrophe mit "nahe Null" geschätzt hätte.

Walbegegnungen der bösen Art

Dieses Thema geistert schon immer durch die Weltumsegel-Literatur. Und tatsächlich hat es hierbei schon Yachtuntergänge gegeben. Das Risiko hat man beim Blauwassersegeln auf sich genommen, weil unvermeidbar und geringfügig. In letzter Zeit hat sich das aber grundlegend geändert. Wenn Sie sich diese Karte mit den zum Teil katastrophalen Begegnungen mit Orcas, die auch zum Schiffsuntergang geführt haben, ansehen, werden sich sicher einige eine Weltumsegelung abschminken. Üblicherweise wird man diese meist von Deutschland aus erst mal durch die Biskay segeln müssen. Auch Segler, die ihre Yacht ins Mittelmeer verbringen, werden vielleicht zögern. Es ist nicht jedermanns Sache, die vorgeschlagenen Abwehrmaßnahmen erst in der Praxis zu testen. Tierfreunde werden darüber geschockt sein: Definitiv wird derzeit hinter vorgehaltener Hand die Abwehr von Orca-Angriffen mit Begriffen wie "Pumpgun" oder "Schrotflinte" diskutiert.

Gleichgültig von welcher Seite aus man das Thema betrachtet und durchkalkuliert: Das Risiko einer Biskayaüberquerung ist derzeit dramatisch angewachsen. Wer eine solche bisher undenkbare Aggression eines Walrudels einmal in natura miterlebt hat, ist - wortwörtlich: geschockt! Auch, wenn die Yacht "nur" erhebliche Schäden am Ruder erlitten hat.

Gesundheit und Alter

Generell liegt bei jungen, gesunden Menschen die gesundheitliche Gefahr mehr darin, dass es während eines Ozeantörns zu einem Unfall kommt. Ein Beinbruch, der an Land folgenlos verheilt, kann auf einer langen Atlantiküberquerung, fern von Arzt und Krankenhaus, zur Katastrophe werden. Gleiches gilt zum Beispiel bei Verbrennungen, die gar nicht so unwahrscheinlich sind, wenn der Smutje die Crew am offenen (Gas-)Feuer bei Lage bekochen muss.

Ansonsten ist das Risiko einer Erkrankung auf hoher See gering, wenn gesund losgesegelt wurde. Und: In der Seeluft sind weder gesundheitsaggressive Viren noch Bakterien enthalten. Eine Grippe holt man sich somit an Land, an Bord steckt sich damit niemand an, es sei denn ein Mitsegler hat die Infektion mitgebracht.

Ein hohes Alter spielt insofern eine Risiko-Rolle, als die Gesundheit dann meist schon gewisse Schwachstellen aufweist. Man sollte bei der Beurteilung der eigenen Seetüchtigkeit selbstkritisch sein und auf sein Gefühl achten. Einem Arzt hab ich mal zugehört, als ihn ein munterer älterer Segler nach einem durchgestandenen Herzinfarkt übers Segeln auf dem Atlantik ausgefragt hat. Der Arzt brummelte: "Können Sie jederzeit machen, wenn Sie immer in Rufweite eines Arztes sind." Das war deutlich.

Auch für einen älteren, ansonsten "kerngesunden" Menschen kann das Blauwassersegeln riskant sein beziehungsweise werden. Man beobachte sich selbstkritisch, die Antwort auf folgende Fragen helfen vielleicht dabei: Hat man noch die Kraft, das Groß ohne Elektrik hochzuziehen? Kommt man ohne Weiteres nach dem Vor-Frühstücksbad allein die Badeleiter hoch? Kann man bei Flaute sicher freihändig auf Deck zum Vorschiff gehen? Kann man vom Steg aus noch allein ins Dhingy einsteigen? Und so fort.

Wenn man als Senior an Land mehrfach die Treppen runter gestolpert ist oder einem die Gangways immer schmäler und länger vorkommen, dann ist es wohl an der Zeit... Denn so überwiegt das Risiko, und zwar in lebensgefährlicher Weise lebensgefährlich.

Es gibt einen guten Merksatz zur generellen Risikoeinschätzung. Er kommt zwar aus der Fliegerei, aber er lässt sich ohne weiteres aufs Blauwassersegeln übertragen. Jedenfalls hab ich ihn mir mein ganzes Seglerleben zu Herzen genommen, in der Luft und auf dem Wasser. Flieger sagen:

"There are bold pilots and there are old pilots; but there are no bold old pilots"

Übersetzt: "Es gibt mutige Piloten, und es gibt alte Piloten. Es gibt aber keine mutigen, alten Piloten!

Bobby Schenk

zur Home-Page

Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: http://www.bobbyschenk.de/n006/danger.html

Impressum und Datenschutzerklärung