Schräges Gerät:

erheblich mehr Lebensqualität auf Langtörns

Für mich ist das Wohlbefinden an Bord eine herausragende Bedingung für Langfahrttörns von mehreren Tagen oder gar Wochen! Und vor allem: Es ist ein ganz wichtiger Faktor für die Sicherheit von Mannschaft und Yacht. Klar, eine gesunde, ausgeschlafene Mannschaft ist für den Erfolg einer Ozeanpassage, selbst für Törns von wenigen Tagen, notwendig. Und dazu gehört im Seegang in erster Linie ein regelmäßiges Essen. Deshalb dient ein kardanischer Tisch zu 50% dem Wohlbefinden der Besatzung - mindestens.

Diese Einrichtung scheint vergessen, denn ausser auf meinen eigenen (Einrumpf-)Yachten kann ich mich nicht erinnern, so eine patente Institution unterwegs je gesehen zu haben. Einst zur Standardeinrichtung einer Fahrtenyacht gehörig!

Manch Besucher dieser Seiten fragt, warum ein Schlingertisch out ist, wenn er derart nützlich sein soll. Brauchen wir das Gerät nicht mehr? Die heutigen Werften liefern fast immer erstklassige Yachten - verglichen mit manchen Geschöpfen aus dem letzten Jahrhundert, und sie würden doch sicher serienmäßig auch so einen schaukelnde Tisch in die Kajüte einbauen, wenn das so eine tolle Erfindung ist, oder?

Nein, wer so denkt, ist einfältig, wenn es um die Regeln der Marktwirtschaft geht. Eine Werft, ein Schiffshändler haben ausschließlich den Wunsch, was ja nichts Verwerfliches ist, ein Schiff zu verkaufen. Dem hat sich alles unterzuorden. Deshalb wird nur produziert, was der Schiffskäufer verlangt. Und wenn der Wunsch nach einem kardanischen Tisch gar nicht vorhanden ist, dann braucht es für den Verkäufer auch keinen kardanischen Tisch, basta.

Es liegt also am Publikum, die Bedeutung einer solchen Institution zu erfassen und letztlich zu verlangen.

Viele haben von der Existenz eines schwenkbaren Tischs noch nie erfahren, kennen also den Nutzen des Gerätes gar nicht. Was deshalb verwundert, weil zu Beginn der Fahrtensegelei zahlreiche Yachten, vor allem die englischen Werftbauten, einen hatten. Damals wurden eben Schiffe auf dem Wasser oder von erfahrenen Fahrtenseglern gekauft, und nicht nach Prospekten oder auf Ausstellungen. Vorbei!

Und weil der heutige Segler zwar mehrere Computer miteinander vernetzten kann, weil er mit Unterwasserkamera sehen kann, wie sein Anker liegt, weil er die Segel elektrisch rauf und runterfährt, sieht er auch nicht den Zweck eines wackeligen Tisches, noch dazu mit dem abstoßenden Namen "Schlingertisch". Vor allem aber spielt eine Rolle, dass dieses wunderbare Instrument, welches Speisen und Getränke auch bei 30 Grad Lage nicht abwirft, was selbst "rutschsichere" Matten bei starker Krängung beim Überlegen des Yacht tun, auf Ausstellungen und am Werfthafen gar nicht vorgeführt werden kann; Der Kunde wüsste also gar nichts damit anzufangen. Spätestens beim ersten Mehrtagestörn in rauem Wetter aber, von "Sturm" will ich mal gar nicht reden, würde er sich wünschen, wieder mal an einem gedeckten Esstisch zu sitzen, und nicht mit Stulle und Thermoskanne in den frierenden Händen hinter dem Klappverdeck zu kauern. Das mag mal gelegentlich, einmal im Jahr, ganz romantisch sein, aber spätestens am zweiten Tag auf See wäre es doch schön, wieder mal gepflegt am Esstisch zu dinieren.

Was auch interessant ist: Auf unserer Hochseeyacht oder auch auf dem Charterboot arbeitet eine (Halb-)Kardanik bei jedem Wetter. Nämlich beim Kochen! Klar, denn dort würden starre Kocher sich recht schmerzhaft und gefährlich bemerkbar machen, wenn das brandheisse Öl bei Lage aus der Pfanne schülpert.

Auf meinem ersten Schiff, einer Fähnrich 34, hatten wir uns einen kardanischen Tisch (mit Tischreling) vor der Weltumsegelung von einem Schreiner einbauen lassen und über die ganzen vier Jahre täglich, unterwegs, bei rauestem Wetter, unsere heisse Suppe auf dem schwankenden, immer aber waagrecht stehendem Tisch aus breiten Tellern gelöffelt. Auf unserer Thalassa II baute die Weft auf Wunsch in das Serienschiff wiederum einen solchen Tisch ein, den wir bei allen Wetterlagen (auch bei Kap Hoorn) täglich benutzt haben. Nicht nur, um am Tisch zu essen, sondern auch um zerbrechliche Sachen (Foto etc) abzulegen, oder, was genauso so wichig war, gelegentlich die Logge dort zu reparieren ohne dass die Kugeln aus dem Kugellager abhauten.



kardanischer Tisch im Sturm - hier klicken

Der Film zeigt die Wirkungsweise auf der 15-Meter-Stahlyacht in den brüllenden Vierzigern bei hartem Wetter kurz vor Kap Horn. Während des 55-tägigen Törn gab es keinen Tag, wo nicht vom Tisch gegessen wurde. Im übrigen Schiff sah es dagegen manchmal chaotisch aus. Nasses Ölzeug in der Kajüte verstreut am Boden und so, Sie kennen das ja? Der ruhende Pol war der Tisch, der nie festgesetzt werden musste.


Wenn die Crew nur gerne von Hafen zu Hafen tingelt oder mal eine Nacht unterwegs ist und bei stürmischem Wetter lieber am Kajütboden vegetieren will, ist so ein Tisch überflüssig. Francis Chichester hingegen hatte vor langer Zeit bei seiner Rekordfahrt um die Welt nicht nur einen kardanischen Tisch, sondern auch eine schwankende Koje an Bord. Die Engländer halt...


Wo gibt es dieses Wunderding?

Meines Wissens nirgends im Handel. Aber es besteht Hoffung, dass sich das ändert und gar nachträglich noch ein Schlingertisch eingebaut werden kann. Wie dieser Prototyp arbeitet, zeigt das Video. Phantastisch, oder?

Man achte im Video auf die runde Tomate auf dem Tisch, die sich keinen Millimeter vom Fleck rührt. Oder auf die Flaschen, wohl die Königsdisziplin fürs Standhaftbleiben bei viel Krängung! Wie genau der Tisch balanciert, deutet auch die Plastiktüte am Haken an, die parallel zum Tischfuß hängt.

Stephan Georg Schmidt (stephanskardantisch@web.de) heisst der Konstrukteur und Erbauer des Tisches, der auf dem Video die Schwerkraft zu überwinden scheint. Seine schöne Oelmann- Stahlyacht hat gute Lage, die auf einem festen Tisch das Geschirr abwerfen würde. Er meint, dass sich so ein Tisch für 1500 bis 2000 € produzieren ließe. Wenn ich bedenke, was wir für Computerspielzeuge auf der Yacht ausgeben, dann rechnet sich so ein Betrag doch gut, Nutzen und Aufwand gegenüber gestellt.

Auf unseren Yachten schwenkte eine Halbkardanik den Tisch, Stephan Georg Schmidts Werk dreht sich mit einer Bewegungsfreiheit von ca. +/-35° in Quer- und Längsachse. Das bedeutet, dass er nicht nur die Krängung der Yacht, sondern auch deren "Stampfen" im Seegang kompensiert, was wir vor allem hoch am Winde erleben werden.

Der nachträgliche Einbau in eine heute moderne Kunststoffyacht, auch bei einer Dinettanordnung sollte kein Problem sein, wenn man mit Harz und Lochplatten arbeitet.

Manch eine Werft könnte sich für so einen Sonderwunsch ungern dann interessieren, wenn sie nur mit Schlingertisch einen Auftrag an Land ziehen kann.

Der einzige Grund, warum ich so einen Tisch, der das Leben auf hoher See erheblich erträglicher macht, auf meiner letzten Yacht nicht an Bord hatte, war, dass diese, weil Katamaran, mit ganz wenig Lage segelte. Aber Einrumpf? Nur mit waagrechtem Esstisch! Das wird man wohl bei den heutigen Yacht-Preisen erwarten dürfen!

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