YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hallo Stefan,
in der letzten Zeit bin ich mit
insgesamt acht Vorfällen konfrontiert worden, wo schwere Schäden am Schiff,
vor allem bei der Elektronik, durch Blitzschlag verursacht worden sind. Fast(!)
alle diese Ereignisse spielten sich in Gegenden ab, die für ihre
Gewitterhäufigkeit berüchtigt sind, nämlich in den Gewässern von Panama und
Singapur - siehe die Berichte von NATHAPE ( hier
)und HARLEKIN (hier), die zusammen mit der
deutschen Yacht MENEVADO im gleichen Gewitter vom Blitz getroffen wurde.
Allerdings habe ich auch Post
bekommen vom Besucher Peter Fehringer, der mit seiner Sunbeam in Griechenland
einen Blitzeinschlag erlebt hat, wobei die Elektronik schwer beschädigt wurde.
Außerdem weiß ich von weiteren wenigen Fällen aus
dem Mittelmeer. Ich selber habe nur einmal - mit minimalen Schäden an der
Elektronik - mit einem Blitz nähere Bekanntschaft gemacht, wobei ich es für
möglich halte, dass hier der Blitz nicht in den Mast geschossen ist, sondern
die Elektronik durch extreme elektrische Entladung in der nahen Umgebung der
Yacht entstanden ist.
Auf Grund meiner Erfahrungen und
Erfahrungsberichte anderer Blauwassersegler, bin ich zu folgenden Erkenntnissen
gekommen:
-
Blitzeinschlag ist nicht
gleich Blitzeinschlag
-
in manchen Gegenden sind
Blitzschäden ungleich häufiger
-
es gibt keinen
hundertprozentigen Blitzschutz
-
ein
Gewitter hält sich kaum an bestimmte Regeln
-
Blitzeinschläge in Yachten
kommen vor, sind aber extrem selten
Blitzeinschlag
ist nicht gleich Blitzeinschlag
Auf Grund schwerster elektrischer
Entladung bei einem Gewitter können auf einer Yacht die verschiedensten
Schäden entstehen. Wobei fast immer die Elektronik als erstes betroffen ist.
Dazu braucht es aber nicht unbedingt einen Blitz-"Einschlag" in den
Mast oder in andere Teile der Yacht. Auch ein Blitztrefffer in der Nähe, also
zum Beispiel ein Einschlag in den Mast einer benachbarten Yacht oder einfach ins
Wasser kann Schäden auf der nicht direkt getroffenen Yacht verursachen. Man
spricht in solchen Fällen von einem Nebenschluss.
Auffallend ist, dass kaum Fälle
bekannt sind, bei denen Personen selbst, also die Yachtbesatzung ernsthafte
Schäden an Leib oder Leben erlitten hat.
Die Sachschäden variieren
zwischen "Loch in der Bordwand", "gesamte Schiffselektronik kaputt" und "ein Gerät
defekt". Sicher hängt dies damit
zusammen, ob eine Yacht direkt getroffen wurde und letztlich auch mit dem
Faradayschen Käfig, den auch eine Kunststoffyacht im strömenden Regen
einigermaßen darstellen kann. Aber auch Stahlyachten als perfekter Schutzkäfig
gegen elektrische Entladungen haben schon Schäden im Gewitter erlebt, wenn dies
auch zu den krassen Ausnahmen zu zählen ist. Aus der Luftfahrt sind allerdings
einige Fälle bekannt geworden, bei denen es durch Blitzeinschlag zu schwersten
Schäden gekommen ist, was aus Laiensicht verwundert, denn eigentlich ist ein
Verkehrsflugzeug ja ein perfekter Faradayscher Käfig.
In
manchen Gegenden sind Blitzschäden ungleich häufiger
Es gibt auf
der Welt eine Reihe von Gebieten, in denen die Gewitter- und damit
Blitzhäufigkeit signifikant höher ist als in anderen Gegenden der Welt. Dazu zählen
generell die Gegenden südlich und nördlich des Äquators (Doldrums). Während der
Monsunzeit vergeht beispielsweise in der Straße von Singapur (an der sich dann
die Malacca-Staße anschließt) kaum ein Tag ohne mehrere heftige Gewitter. Besucht man
dort eine Marina, dann kann man unter den dort liegenden Yachten leicht ein
halbes Dutzend ausmachen, die bereits schwere Schäden an der Elektronik (fast
immer mehrere zehntausend Euro) erlitten haben. Die betreffenden Eigner sind sich
in Gesprächen darüber einig, dass sie ihre Yacht auch in Zukunft vor Schäden
nicht hundertprozentig schützen können.
Es gibt
keinen hundertprozentigen Blitzschutz
Beim Blitzschutz, also beim
Blitzableiter, geht es ausschließlich darum, den nahen Blitz zu veranlassen, genau in
diesen Blitzableiter einzuschlagen und sich auf kurzem Weg, also über den
vorgesehenen Ableitungsdraht in das Wasser zu entladen. So die Theorie! In der
Bordpraxis funktioniert dies leider nicht. Denn man müsste dem Blitz, der das
Bestreben hat, sich möglichst auf kürzestem Weg ins Wasser zu entladen, schon
einen Draht (oder Metallspiere) mit einem gigantisch großem Durchmesser anbieten, der
möglichst senkrecht nach
unten führt. Auf einer Yacht müssten also ziemlich klobige Einbauten in das
Rigg vorgenommen werden, um dieses Ziel zu erreichen. Dies lässt sich mit der
Funktion des Riggs kaum vereinbaren.
Aber auch wenn ein Blitzableiter
funktionieren würde, ist die Yacht nicht
vor Schäden gefeit. Denn wie Leser Kirschbaum darauf hingewiesen hat, gibt es
beim Blitzeinschlag neben dem Spannungsfeld auch ein "dynamisch auf- und
abgebautes Magnetfeld", das ebenfalls für zahlreiche Schäden
verantwortlich werden kann. Dies führt dazu, dass selbst elektrisch konsequent
abgetrennte Elektronik-Geräte zerstört werden können.
Ein Gewitter
hält sich kaum an bestimmte Regeln
Es ist eine bekannte Tatsache,
dass auch fachgerecht installierte Blitzableiter an Gebäuden nicht unbedingt
garantieren, dass jeder Blitz, der in das Haus einschlägt, schadlos abgeleitet
wird. Manchmal erfolgt der Einschlag genau daneben. Volksweisheiten deuten auf
die Unberechenbarkeiten der gewaltigen elektrischen Entladungen bei einem Gewitter hin: "Buchen sollst Du suchen" oder "Weiden sollst Du
meiden" gehören mehr ins Reich des Aberglaubens. Richtig wäre vielleicht:
"bei Blitzen sollst Du flitzen", nur leider bringt uns das auf unseren
langsamen Segelyachten nicht weiter. Ein Bekannter von mir verlor sein Leben
beim Bersteigen, weil der Blitz eben nicht in den höchsten Punkt, dem nahen
Gipfel eingeschlagen ist und ein anderer Bekannter starb beim Radfahren auf
einer flachen Straße an den
Folgen eines Blitzeinschlags, den übrigens niemand aus der radelnden Gruppe
überhaupt nur bemerkt hat.
Blitzeinschläge
in Yachten kommen vor, sind aber extrem selten
Bei der Frage, ob man sich speziell auf einer
Yacht, so gut es eben geht, gegen Gewitter schützen soll, gilt es abzuwägen
zwischen dem Risiko eines Blitzeinschlags, der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen
und der Schwierigkeiten deren Einbaus.
Wenn
ich die gesegelten Meilen, die Zeit, die ich auf dem Wasser zugebracht habe,
berücksichtige, auch die diesbezüglichen Erlebnisse anderer Weltumsegler in
Rechnung stelle, dann komme ich persönlich für mich zu dem Schluss, dass
Blitzschäden in nicht gewitterschwangeren Gewässern so extrem selten sind,
dass sich hierfür eine besondere Vorsorge nicht lohnt. Es ist wie der berühmte
und oft zitierte Ziegelstein, der vom Dach fallen kann. Es wäre absurd, im
Hinblick auf diese theoretische Möglichkeit nur noch mit Schutzhelm in der
Stadt spazieren zu gehen. Oder ein treffenderes Beispiel: Es gibt weltweit mehr
Todesfälle durch herabfallende Kokosnüsse als durch Haiangriffe. Und trotzdem
läuft in den Tropen niemand unter den Kokospalmen mit entsprechendem Kopfschutz
herum.
Ein Blitzeinschlag in eine Yacht auf offener See
kommt noch viel seltener vor als beispielsweise in einer Marina oder auch am
Ankerplatz. Zwar hat man das Gefühl, dass die einsame Mastspitze auf der
ruhigen Seeoberfläche den Blitz förmlich einlädt, doch erfolgen Entladungen
weitgehend nach unten. Eine Mastspitze wird also erst dann ein Opfer, wenn die
Entladung weitgehend über der Yacht stattfindet.
Was für die Seltenheit von Blitzschäden
ebenfalls spricht, ist die Tatsache, dass sich in vielen Versicherungspolicen
die freundliche Klausel findet, nach der bei Blitzschäden die ansonsten hohe
Selbstbeteiligung nicht anfällt. Nachdem Versicherungen nichts verschenken,
kann daraus gut auf die Seltenheit von Blitzschäden im Wassersport generell
geschlossen werden.
Natürlich kann man auf einer Yacht an den Wanten
ein paar Kupferkabel anklemmen und bei Gewitter durchs Wasser schleifen. Aber
jeder Fachmann für Blitzableiter würde wahrscheinlich über deren Nutzlosigkeit nur lächeln. Aber ich verstehe die Mannschaft der NATHAPE sehr
gut, dass sie so vorsorgt (Bild). Der Aufwand ist gering und irgendwie beruhigt
es doch.
 Auf
einem Katamaran habe ich die auf den anderen Bildern gezeigt Vorsichtsmassnahme
gesehen. Da wird ein Stück Kette, das elektrisch leitend mit dem Vorstag und
damit mit dem Masttopp verbunden ist, durchs Wasser geschleppt. Kostet kaum
was, ist kinderleicht einzusetzen, im Ernstfall in Sekunden klar und beruhigt
jedenfalls.
Es ist ein wenig praxisfremd, zu raten, die
Bordelektronik abzuklemmen. Wie soll denn das in ein paar Minuten funktionieren,
wenn man das Gewitter herannahen sieht? Nein, das höchste der Gefühle ist, alle
elektrischen Verbraucher, also in erster Linie die Schiffselektronik
auszuschalten. Die Erkenntnis von Besucher Fehringer aus seinem Blitz-Erlebnis
kann man auch leicht beherzigen: "Backupsysteme sollten nicht in unmittelbarer Umgebung des
Naviplatzes, wo sich elektrische Leitungen massieren, sondern möglichst weit
entfernt von Metallbahnen wie Leitungen und Stagen gelagert werden...."
Um eines wird man sich besondere Sorgen machen,
zumindest auf Langfahrt. Auch wenn die gesamte Elektronik beschädigt wird, ein
Gerät sollte aus Sicherheitsgründen in jedem Fall überleben: Ein GPS-Gerät.
Dazu darf es aber auf keinen Fall angeschlossen sein, sondern sollte als
Backupsystem sicher verwahrt sein. In diesem Falle heißt
"blitzsicher" in einem geschlossenem Weicheisenkasten (wegen des
Magnetfeldes, wie Besucher
Kirschbaum logisch begründet hat).
Dass man bei Gewitter sich nicht unbedingt an den
Wanten oder Stagen einhält, ist eigentlich logisch. Und wenn es dann so richtig
donnert und blitzt, dann kann man es noch mit einer weiteren Vorsichtsmaßnahme
versuchen: Beten!
Aber, ob das was hilft, das wissen nur die
Götter.
Fair Winds!
Bobby Schenk
zur
Home-Page
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/quest/f176.html
Impressum und Datenschutzerklärung
|