YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von Markus
Beck
Hallo Markus,
nur zu! Fur Sie als
Charterskipper wird es beim Segeln wenig Unterschiede geben. Ein ausgewogener
Fahrtenkatamaran hat nämlich nichts mit jenen Rennziegen zu tun, deren Fotos
Sie vielleicht irgendwo gesehen haben. Insbesondere werden Sie feststellen,
dass die Am-Wind-Eigenschaften eines Fahrtenkatamarans in der Praxis nicht
soviel schlechter sind als jene von Einrumpfyachten.
Sie werden sogar feststellen, dass das Segeln
einfacher ist, als die Bedienung eines Einrumpfbootes. Die Arbeit am Mast ist
unvergleichlich leichter, weil es eben keine Krängung gibt.
Mit zwei Vorurteilen gilt es ein wenig
aufzuräumen. Katamaranen wird generell nachgesagt, dass sie einerseits schlecht
durch den Wind gehen, also Wenden manchmal schwierig sind und andererseits, dass
man mit einem Katamaran kaum eine „gescheite“ Höhe laufen kann.
Beides gilt für moderne Fahrtenkatamarane
kaum noch. Typen, die sich gemeinhin im Programm guter Charterfirmen finden,
haben diese Nachteile nicht, jedenfalls nicht so, dass es erwähnenswert wäre.
· Wenden
Ich kann hier nur aus eigener Erfahrung mit
mehreren Katamaranen sprechen. Ich hab es noch nie
erlebt, dass ich eine Wende nicht fahren hätte können. Vorausgesetzt, man fährt
mit möglichst hoher Fahrt in die Wende hinein. Bei
einem Katamaran bedeutet das, dass der Skipper nicht vor der Wende Höhe kneift,
denn dann geht es mit einiger Sicherheit schief, das
heißt, der Kat bleibt vor der Wende fast im Wind
stehen. Aber eben nur fast, also, bevor die Fock back
kommt. Ein geglücktes Wendemanöver setzt natürlich bei einem Kat meistens
voraus, dass man mit der Fock/Genua länger als bei einem Mono wartet, bis sie back
steht – zumindest fast. Aber das ergibt sich bei einem Chartertörn von
selbst, und zwar schon bei der ersten Wende nach der Hafenausfahrt.
Selbstverständlich gibt es Situationen bei
Schwerwetter, wo ein Kat nicht mehr durch den Wind zu bringen ist. Aber die
sind meist so, dass man unter diesen Bedingungen auch mit einer Einrumpfyacht
Schwierigkeiten hätte. Für solche Misslichkeiten gibt’s dann immer noch
eine Patentlösung, sei es auf dem Kat, sei es auf der Einrumpfyacht: Halsen.
Hoch-am-Wind-Kurse (Aufkreuzen)
Im Normalfall funktioniert bei einem Kat
nicht das „Höhe kneifen“. Ein Kat fährt auch am Wind eine ziemlich
hohe Geschwindigkeit, sieben Knoten und mehr – hoch am Wind wohlgemerkt –
ist keine Rarität. Legt man dann aber nur noch wenige Grad zu – was bei
einem Mono zu einem höheren Kurs bei entsprechend langsamer Fahrt durchs Wasser führen würde – bleibt der Kat fast
stehen. Wird dieser Umstand berücksichtigt, wird man sich wundern, wie wenig
Unterschied in der Am-Wind-Leistung einer Einrumpf-Fahrten-Yacht und eines
modernen Katamarans besteht.
· Im
Hafen
Dass man einen Charterkatamaran nicht mit dem
Bug zur Pier anlegen kann, versteht sich von selbst. Auf Grund seiner Höhe, ist
das An-Land-kommen über den Bugkorb fast nicht
möglich, jedenfalls nicht ohne Turnen. Also, nur Heck zur Pier! Aber das ist ja
in jenen Revieren, wo üblicherweise Charterkatamarane angeboten werden, ohnehin
Standard.
Das eigentliche Problem in der Handhabung
eines Katamarans während eines Charterurlaubs besteht in seinem Verhalten im
Hafen und bei An- und Ablegemanöver. Wer damit mit
einer Einrumpfyacht schon Nervenflattern bekommt, sollte die Finger von einem
Katamaran lassen. Der unvergleichlich hohe Lebenskomfort und-Raum
fordert nämlich hier seinen Preis. Da Katamarane ja
meist nicht tief unten im Schiffsbauch Tonnen von Blei
zu transportieren haben, befindet sich der größte Teil des Schiffes über Wasser
und ist so ein enormer Windfang – bei vergleichsweise wenig Tiefgang, der
ein leichtes Abtreiben verhindern könnte.
Nun könnte man auf die Idee kommen, dass
dieser Nachteil durch die üblicherweise vorhandene Zweimaschinenanlage
ausgeglichen wird. Weit gefehlt! Um es überspitzt auszudrücken. Man kann mit
einem Katamaran danke der beiden Maschinen zwar „auf
dem Fleck“ drehen, doch der Fleck bewegt sich, je nach Windstärke und
Richtung, quer durch den Hafen. Ist man sich dieses Nachteils bewusst, ist es
nur noch halb so schlimm. Aber wissen muß man es!
Leistungsfähige Charterfirmen, die Fahrtenkatamrane im Programm haben, bieten auch häufig
Skipperseminare für Katamarane im Frühjahr an. Trägt man sich also mit dem
Gedanken, einen Urlaub auf zwei Rümpfen zu verbringen, empfiehlt sich die
Teilnahme. Hat weiter den Vorteil, dass man sich „seinen“ Typ
gleich raussuchen kann.
Dem, der sich das ersparen möchte, helfen
vielleicht nachfolgende Tipps, wie man mit einem Fahrten-Katamran
am besten von der Pier ablegt. Auf Grund des mäßigen Drehkreises mit der
ohnehin schon schwachen Wendigkeit eines Katamarans sollte man sowohl beim
Ablegen, als auch beim Anlegen sich der Unterstützung der Vorspring
(bei allen Kat-Hafenmanövern zu empfehlen) bedienen. Macht die Sache
entschieden leichter. „Eindampfen in die Spring“ nennt sich das
Ganze (nachfolgende Zeichnungen von John Bassiner sind
meinem neuesten Buch Fahrtensegeln, Theorie und Praxis entnommen)
Phase 1
Beide Ruder sind in neutraler Stellung und
bleiben auch so, bis auf Kurs gegangen werden kann. Bei wenig oder Null Fahrt,
ist es bei einer Doppelschraubenanlage sinnlos, mit dem Ruder zu hantieren.
Vor dem Ablegen werden alle Leinen auf Slip
genommen, der Bug besonders gut und reichlich abgefendert.
Phase 2
Mit beiden Maschinen wird langsam vorausgegangen,
bis die Vorspring auf Zug steht. Ein Mann sollte am
Vorschiff die Abfenderung überwachen. Alle Leinen –
außer der Vorspring werden an Bord genommen.
<
Backbord-Maschine Stopp (in unserem Fall –
Pier an Backbord) und Steuerbord-Maschine bleibt auf langsame Fahrt voraus. Sitzen
die Fender am Vorschiff am rechten Platz?
Der Kat wird sich nunmehr langsam mit dem
Heck von der Pier wegdrehen, bis er einen gewünschten Winkel von 30 bis 60 Grad
erreicht hat…
Phase 4
Beide(!) Maschinen gehen nun auf langsame Fahrt
rückwärts. Achtung: In dem Moment, wo der Zug auf die Vorspring
nachlässt, muß sie eingeholt werden.
Man fährt solang rückwärts, bis auch bei
Berücksichtigung des großen Wendekreises eines Katamarans gefahrlos für die
anderen Hafenlieger der gewünschte Kurs eingenommen
werden kann.
Dieses Manöver kann bei allen Windrichtungen
durchgeführt werden, solange der Wind nicht zu stark ist. Man kann es nicht
verallgemeinern, aber ich geb trotzdem einen
ungefähren Anhaltspunkt: Ab 15 Knoten Wind wird’s beim Windfang eines
Katamarans kritisch.
Berücksichtigt man aber diese Eigenheiten
eines Katamarans, wird man mit ihm wahrscheinlich mehr Freizeitwert bei einem Charterurlaub
gewinnen als mit einer Einrumpfyacht.
Eine interessante Variante zum Ablegen aus engen
Lücken (vorne und hinten wenig Platz) mit einem Katamaran hat noch Peter Walter
aus seiner Praxis mit seinem Kat ESYS (14.30m) gemacht:
- Beide Maschinen an
- Ruder in Stellung
geradeaus
- Heck gut abfendern
- Alle Leinen los bis auf
die Heckleine
- Bb-Maschine
langsam voraus, Stb-Maschine langsam rückwärts
- Nun dreht sich der Kat
langsam mit dem Bucg nach außen, vorwärts kann er ja
nicht, weil die Achterleine noch belegt ist (natürlich auf Slip)
- Warten, bis der Kat weit
genug gedreht hat, Achterleine los und beide Maschinen vorwärts.
Das Manöver funktioniert
auch bei mäßigem Wind von Stb, allerdings sollte man
dann weiter nach draußen drehen. Rückwärts läuft das Manöver sinngemäß genauso
ab:
- Beide Maschinen an
- Ruder in Stellung
geradeaus
- Bug gut abfendern
- Alle Leinen los bis auf
die Vorleine
- Stb-Maschine
langsam voraus, Bb-Maschine langsam rückwärts
- Nun dreht sich der Kat
langsam mit dem Heck nach außen, rückwärts kann er ja nicht, weil die Vorleine
noch belegt ist (natürlich auf Slip)
- Warten, bis der Kat weit
genug gedreht hat, Vorleine los und beide Maschinen rückwärts.
Befolgen Sie diese Ratschläge, kann
eigentlich nichts schief gehen:
Deshalb Mast-und Schotbruch!
Bobby Schenk
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