YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
sonya.hille@freenet.de
Hallo, Herr Hillebrand,
Vorab: Es gibt eine Reihe von Beispielen, in
denen Paare wie Sie ohne besondere Erfahrung "auf Weltumsegelung"
gegangen sind. Und es ganz gut geschafft haben. Den Traum vom Leben auf dem
Wasser:

Daneben gibt es zahllose Fälle, in denen es
völlig daneben gegangen ist mit verheerenden Konsequenzen, nicht nur
finanzieller Art.
Leider schreiben Sie nicht, ob sie schon ein
Schiff haben und was genau unter "recht unerfahren" zu verstehen ist.
Deshalb wird dem einen meine Antwort als zu oberflächlich, dem anderen zu
detailliert sein. Generell kann man sagen:
Es geht nichts über eine zuvor erworbene
Segelerfahrung. Aber in Meilen lässt sich das nicht ausdrücken. Wenn jemand
sich bei der Atlantic Rally for Cruisers (ARC) über den großen Teich skippern
läßt, dabei, wie üblich, die meiste Zeit in der Koje verbringt, sind seine
2700 Seemeilen weniger wert an Erfahrung als diejenigen, die ein anderer
sammelt, der für sich und seine Familie in Griechenland eine Charteryacht
mietet und dann in 14 Tagen 10 Häfen und 300 Meilen abbummelt.
Außerdem werden sie später auf einer
Weltumsegelung mehr von ihren Erfahrungen zehren können, wenn sie im Hafen mal
einen Ölwechsel an der Maschine vornehmen oder eine Schiffstoilette
reparieren mussten als von hunderten Stunden, die Sie hinter dem Ruder einer
Segelyacht verbracht haben.
Zweifellos kann man sich auch jede Menge
Erfahrung anlesen. Geeignet sind da eigentlich alle Bücher von Weltumseglern,
sofern sie ehrlich auch die negativen Seiten ihres Traumtörns beschreiben. Ganz
besonders kann ich Ihnen da ans Herz legen das 30 Jahre alte Buch von
Ernst-Jürgen Koch (Delius Klasing Verlag), das zwar in technischen Dingen nicht
mehr aktuell ist, das aber eine Weltumsegelung mit einfachsten Dingen (aus
heutiger Sicht) beschreibt. Bedenken Sie bitte, das Meer war vor 30 Jahren auch
nicht anders als heute (auch ein Grund, warum wir die Segelei lieben!) Wenn Sie
nach der Lektüre dieses Buchs sagen: "Das trauen wir uns auch zu!",
dann sind Sie eigentlich moralisch für eine Weltumsegelung gerüstet. Kommen
Sie aber bitte nicht zu dem Schluß: "Heute mit all der modernen Technik
ist eh alles viel leichter!"
Das wäre ein großer Trugschluß, denn mit
der modernen Technik laden Sie sich eben andere Probleme auf.
Was ich Ihnen empfehle, ist, einen
Segelschein zu erwerben, möglichst einen "hochgradigen". Zwar halte
ich generell nicht viel von Segelscheinen - der Staat reguliert viel zu viel -
doch werden Sie durch die entsprechende Schulung durch eine erfahrene
Segelschule mit anschließender Prüfung gezwungen, sich intensiv mit der
Materie zu befassen.
Und das ist auch notwendig. Denn eine
Weltumsegelung kann man, auch was die Vorbereitung betrifft, nicht nebenher
machen. Sie ist ein Fulltime-Job, mehr noch: Ein Lebensstil, dem sich so
ziemlich alle anderen Interessen unterzuordnen haben.
Dabei können Sie auch eine Menge falsch
machen. Aber das hab ich an anderer Stelle schon beschrieben, nämlich unter dem
Link:
Dutzend "beliebte" Fehler bei der Planung einer Weltumsegelung
Weiter sollten Sie sich mit der Fachliteratur
eingehend auseinandersetzen. Die Lektüre von YACHT und PALSTEK ist ein Muß,
bei entsprechenden Englischkenntnissen auch CRUISING WORLD! In diesen
Zeitschriften wird zwar meist nicht speziell auf die Weltumsegelungsproblematik
eingegangen, Sie können sich aber eine Menge Tipps aus diesem Papier holen, die
Sie sicher irgendwann brauchen.
Vor allem aber sollten Sie Sachbücher an
Weltumseglerliteratur duchlesen. Sie werden es mir sicher nicht als
Unbescheidenheit auslegen, wenn ich hierbei auf meine beiden Bücher verweise:
Fahrtensegeln, Theorie und Praxis
und das im nächsten Frühjahr erscheinende
Blauwassersegeln - 5.Auflage!
verweise. In beiden Büchern finden Sie zahllose weiterführende Hinweise auf
Details der Planung.
Zurück zu den "notwendigen Seemeilen": Wenn Sie
schon ein eigenes Schiff besitzen, dann sollten Sie damit soviel wie möglich
segeln. Und zwar nicht weite Strecken über See, die bringen nur wenig an "Weltumseglererfahrung",
sondern kurze, aber zahlreiche Etappen von Hafen zu Hafen, möglichst zu einem
fremden. Dann sind Sie schon ganz gut gerüstet. Haben Sie noch kein Schiff,
dann bleibt Ihnen beiden(!) nur die Möglichkeit, mitzusegeln. Bei Freunden oder
auf einem Chartertörn. Wobei schon wünschenswert wäre, in eigener Regie so
einen durchzuführen. Hat man selbst keine Verantwortung, so ist der Lerneffekt
beim Mitsegeln mager bis Null!
Noch eins: Jede Weltumsegelung beginnt mit der ersten Meile.
Oder mit einem kurzen 20-Meilen-Schlag zum nächsten Hafen. Damit haben Sie dann
schon die ersten Praxiserfahrungen gesammelt, die Sie später verwerten können.
Aber gerade für die ersten Seemeilen sollten Sie Anfängerfehler Nummer 1
vermeiden (hab ich aus Höflichkeit bei den Dutzend beliebtesten Fehlern - siehe
oben - verschwiegen): Sie dürfen sich nicht unter Druck setzen lassen, vor
allem nicht unter Zeitdruck. Das passiert regelmäßig dann, wenn Sie Gäste an
Bord haben.
Natürlich
ist die Versuchung groß, sein Schiff, seinen neuen Lebensstil den Freunden aus
seinem "früheren" Leben vorzuführen. Das geht schief, wie eigentlich
regelmäßig zu beobachten ist. Seien es auch die besten Freunde, sie sehen in
Ihrem Schiff schon nach einem oder zwei Tagen nicht mehr ein phantastisches
Spielzeug, oder ein heimeliges Zuhause, sondern oft ein Gefängnis, von dem aus
man am Ankerplatz nicht mal freien Landzutritt hat. Außerdem sind ihre Gäste
viel mehr als Sie orts-und zeitgebunden und das wird Sie automatisch unter
Zeitdruck setzen. Oder Sie machen es eiskalt wie ein erfahrener (amerikanischer)
Weltumsegler, der dieses Problem mal auf einen Nenner gebracht hat:
"Ich hab gerne Besucher an Bord, wenn sie sich an meine Spielregel Nummer
eins halten: Die Gäste dürfen bestimmen, wann oder wo sie an Bord kommen. Aber
nicht beides!"
Alles Gute für die Weltumsegelung!
Ach, dann haben Sie mich ja noch nach einem Seminar gefragt.
Ja, das wird es geben - siehe Kaste. Vielleicht sehen wir uns dort oder eben auf
einem Südseeankerplatz!
Ihr Bobby Schenk
Bobby Schenk's
Blauwasserseminar
- präsentiert von
Hanseboot und YACHT
Samstag,
den 23.10.2004 (10:15 – 12:00 Uhr, 14:00 – 16:00 Uhr)
Sonntag,
den 24.10.2004 (10:00 – 13:00 Uhr)
Konferenzraum
Marsseille I-III an der Halle 11 des Messegeländes
Hamburg“
beschränkte Teilnehmerzahl!
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